Seminarstraße

Während des Westfälischen Friedenskongresses wohnte in der heutigen Seminarstraße


Johann Krull

(1610-1668)


Johann Krull. Kupferstich von Matthias van Sommer, vor 1667. UB Leipzig, PSL, Inv.-Nr. 27/78.


Von 1645-1647 war er Sekundargesandter der Gesandtschaft des Erzstifts Magdeburg im Auftrag von August von Sachsen-Weißenfels.



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Krull und der magdeburgische Hauptgesandte Kurt von Einsiedel waren während der Friedensverhandlungen die Vertreter des ranghöchsten protestantischen Fürsten auf dem Kongress, weswegen die Magdeburger die Führungsrolle (das Direktorium) unter den protestantischen Reichsständen übernahmen. Das bedeutete, dass sie u.a. die Besprechungen der protestantischen Reichsstände leiteten. Nach ihrer frühen Abreise 1647 ging das Direktorium an Sachsen-Altenburg über.

Aufgrund ihrer Führungsrolle benötigte die Gesandtschaft eine größere, repräsentative Unterkunft. Der magdeburgische Gesandtschaftssekretär Christian Werner war bereits 1644 nach Osnabrück gekommen, um ein geeignetes Quartier zu finden. Nach aufwändiger Suche bezog die Gesandtschaft schließlich den stattlichen Hof des ehemaligen Osnabrücker Kanzlers Gotthard Fürstenberg, vermietet von seiner Witwe Elisabeth Schneider. Das Gebäude befand sich entweder auf dem Gebiet der heutigen Seminarstraße 34/35 oder weiter östlich an der Ecke zur Johannisstraße (70). 

 

Der eventuelle Fürstenberghof, Johannisstraße 70, Anfang des 20. Jahrhunderts. NLA OS, Erw A 2 Nr. 18,4. Foto: R. Lichtenberg.

Fassade des Hauses Johannisstraße 70, des eventuellen Fürstenberghofs. Zeichnung von Jan Striening, 10. August 1864. Rijksmuseum Amsterdam.

Das Quartier besaß einige repräsentative Räume sowie einen Garten, eine Küche und Wirtschaftsräume. Die Miete belief sich auf 16 Reichstaler monatlich, wobei die konkreten Mietbedingungen erst in einem mühsamen Prozess ausgehandelt werden mussten. Dabei waren nicht nur andere Gesandte wie z.B. der benachbarte Jakob Lampadius eingebunden, sondern auch der Rat der Neustadt. Grund dafür war vor allem, dass sich Werner mit der Vermieterin nicht über die Frage einigen konnte, ob diese sich an den anfallenden Baumaßnahmen finanziell beteiligen sollte. Man wurde sich schließlich doch noch einig und besiegelte den ausgehandelten Mietvertrag per Handschlag.


Ebenfalls in der Seminarstraße wohnte


Jakob Lampadius

(1593-1649)


Jakob Lampadius. Kupferstich von Conrad Woumans Anselm van Hulle, 1649. UB Osnabrück.


Ab 1644 war er Sekundargesandter der welfischen Gesandtschaft (Braunschweig-Lüneburg) und vertrat die Interessen von Christian Ludwig, Fürst von Calenberg und Herzog von Braunschweig-Lüneburg.

Obwohl Lampadius eigentlich nur die zweite Position hinter dem welfischen Hauptgesandten Heinrich Langenbeck einnahm, kam ihm doch eine bedeutende Rolle bei den Friedensverhandlungen zu. 



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Heinrich Langenbeck, Hauptgesandter Braunschweig-Lüneburgs in Osnabrück. Kupferstich von Matthäus Borrekens nach Anselm van Hulle, 1648. UB Osnabrück.

Zunächst hatte sich der Gesandte als möglicher Vermittler zwischen den kaiserlichen und schwedischen Vertretern ins Gespräch gebracht, nachdem die dänische Gesandtschaft, die diese Funktion eigentlich einnehmen sollte, vorzeitig abgereist war. Da ihm insbesondere die kaiserliche Seite jedoch fehlende Unparteilichkeit vorwarf, griff man für die Vermittlerrolle lieber auf städtische Vertreter zurück, wie z.B. auf den Dechanten von St. Johann, Raban Heistermann, oder den Stadtsyndikus Johann Heinrich Böger. 

Dennoch entwickelte sich Lampadius als erfahrener Jurist und Diplomat zu einem der wichtigsten Vertreter der protestantischen Reichsstände. Ebenso wie der sachsen-altenburgische Vertreter Thumbshirn, mit dem er eng zusammenarbeitete, gehörte er auf protestantischer Seite zu den führenden Persönlichkeiten der sog. ‚Dritten Partei‘, welche nach einer Krise des Kongresses im Sommer 1647 einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen herbeiführte. Lampadius verstarb allerdings noch während der Verhandlungen über die Umsetzung des Friedens im März 1649 in Münster im Alter von 56 Jahren.

 

Der welfische Vertreter wohnte in Osnabrück direkt neben den magdeburgischen Gesandten in der heutigen Seminarstraße/Johannisstraße. Die monatliche Miete betrug 16 Reichstaler. Neben dem Gesandten waren hier drei Diener, ein Kutscher, eine Köchin und eine Magd untergebracht. Der Hauptgesandte Langenbeck wohnte in einem nicht mehr lokalisierbaren separaten Quartier (im Haus einer Witwe mit dem Namen Tollking). 

 

Die Magdeburger hatten den Fürstenberghof unter anderem deshalb angemietet, weil er direkt neben dem Quartier von Lampadius lag, mit dem sie sich kontinuierlich beraten wollten. Hierfür legten die beiden Gesandtschaften sogar einen Durchbruch zwischen ihren Gärten an, um unter Ausschluss der Öffentlichkeit vertrauliche Besprechungen abhalten zu können. Von der historischen Bausubstanz der Quartiere ist heute nichts mehr erhalten.

 

Dass gerade in der heutigen Seminarstraße so viele Gesandtschaften gewohnt haben, war kein Zufall: Das Gebiet galt traditionell als „Adels- und Beamtenviertel”. Dadurch entwickelte sich die Straße zu einem Mittelpunkt insbesondere von Vertretern protestantischer Reichsstände. Auch der hessen-kasselsche Gesandte Reinhard Scheffer wohnte in unmittelbarer Nähe zu Lampadius und den magdeburgischen Gesandten, höchstwahrscheinlich ebenso in der Seminarstraße.

Ebenfalls in der Seminarstraße wohnte Rodrigo Botelho de Moraes, ein portugiesischer Vertreter ohne offiziellen Gesandtenstatus, da die Teilnahme einer portugiesischen Gesandtschaft an den Westfälischen Friedensverhandlungen höchst umstritten war. Allerdings verstarb er bereits im Dezember 1644. Ersetzt wurde er in der Folge durch Francisco de Andrade Leitão, der in Osnabrück im Dominikanerkloster unterkam. 


Seminarstraße mit Blick zur Johannisstraße, August 1927. KGM Osnabrück, F01935. Foto: R. Lichtenberg.

Reinhard Scheffer, Gesandter Hessen-Kassels in Osnabrück. Kupferstich von Conrad Woumans nach Anselm van Hulle, 1649. UB Osnabrück.

Francisco de Andrade Leitão, portugiesischer Vertreter in Osnabrück und Münster. Kupferstich, um 1648. UB Osnabrück.


Der Tod Botelhos verursachte große diplomatische Probleme, da Botelho gewünscht hatte, dass sein Leichnam nach Portugal überführt werden sollte. Der Abtransport wurde zum Streitgegenstand zwischen den kaiserlichen und schwedischen Gesandten, die den Transport zunächst auf unterschiedliche Weise sabotierten. 

Erst im Februar konnte die Leiche des Portugiesen mit Unterstützung der Schweden nach Portugal überführt werden, nachdem zuvor bereits die leicht verweslichen Teile des Leichnams im Dominikanerkloster bestattet worden waren.

Botelho hatte den Hof des schwedischen Kanzleidirektors Hast bezogen, der im Bereich der heutigen Seminarstraße 34 lag. Nach seinem Tod war das Quartier für viele der noch eintreffenden reichsständischen Vertreter interessant, da die Auswahl an Quartieren in Osnabrück äußerst begrenzt war. 

Der magdeburgische Sekretär Christian Werner beschreibt das Haus in seinem ‚Diarium’ (Tagebuch’) als von außen nicht besonders ansehnlich. Das Gebäude war ein altes Steinwerk und verfügte über drei Stuben (die bei Bedarf auch noch ausgebaut werden konnten), eine Stallung und einen kleinen Garten.


Ausstellung 7. Juni bis 5. November 2023

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