Kurbrandenburgisches Quartier

Während des Westfälischen Friedenskongresses wohnte im Eckhaus Johannisstraße/Neuer Graben


Johann VIII. von Sayn-Wittgenstein

(1601-1657)


Johann VIII. von Sayn-Wittgenstein. Kupferstich von Cornelius Galle nach Anselm van Hulle, 1648. UB Osnabrück.


Ab 1645 war er Hauptgesandter der kurbrandenburgischen Gesandtschaft im Auftrag des Kurfürsten Friedrich Wilhelm.



Auf dem Westfälischen Friedenskongress konnte der militärisch wie diplomatisch hocherfahrene Gesandte erfolgreich die Interessen des Kurfürstentums Brandenburg vertreten. Wittgenstein galt allgemein als Wortführer der reformierten Reichsstände. Er selbst war, ebenso wie sein Kurfürst Friedrich Wilhelm, Calvinist, während die kurbrandenburgische Bevölkerung infolge der Reformation lutherisch geblieben war. 

Bei den Verhandlungen konnte Wittgenstein letztendlich erfolgreich die reichsrechtliche Gleichstellung der reformierten Konfession mit der lutherischen durchsetzen, die im Augsburger Religionsfrieden 1555 noch offengeblieben war. Außerdem gelang es ihm, zahlreiche Gebietsgewinne für das Kurfürstentum Brandenburg zu erzielen. Für seine Verdienste auf dem Friedenskongress bekam er noch während der Verhandlungen von dem brandenburgischen Kurfürsten den Titel des Reichsgrafen verliehen.

Wie manche andere Gesandte auch brachte Wittgenstein seine Frau mit, Anna Augusta, geb. Gräfin von Waldeck. Die reformierte Konfession der beiden war offenbar kein Hindernis dafür, dass sich ein fast freundschaftliches Verhältnis zwischen ihnen und der Familie des (wohlgemerkt katholischen) kaiserlichen Hauptgesandten Johann Maximilian von Lamberg entwickelte, der ebenfalls seine Frau Judith Johanna Eleonora Rebecca, geb. von Würben, mitgebracht hatte. Folglich besuchte man sich häufig gegenseitig in den Quartieren und spielte zum Beispiel gemeinsam Karten.

Vor allem die beiden Ehefrauen schienen ein engeres Verhältnis zu pflegen. Im Juli 1645 wurde Anna Augusta sogar die Taufpatin des neugeborenen Sohnes von Lamberg. Bei der Taufe eines Kindes von Anna Augusta im Oktober desselben Jahres war deshalb natürlich auch die Familie Lamberg eingeladen. Dass dieses Verhältnis über die Konfessionen hinweg möglich war, könnte eventuell daran gelegen haben, dass Lambergs Frau die Tochter eines böhmischen Aufständigen war und erst später zum Katholizismus konvertierte. Zudem wird die hochadelige Herkunft der beiden Familien dem Verhältnis zuträglich gewesen sein.


Johann Maximilian von Lamberg, kaiserlicher Hauptgesandter in Osnabrück. Kupferstich von Pieter de Jode nach Anselm van Hulle, 1648. UB Osnabrück.

Die kurbrandenburgische Gesandtschaft wohnte in dem Adelshof der Familie Ledebur zu Wicheln und Dinklage, der auf der Ecke von Johannisstraße und Neuem Graben lag. Die Delegation bildete mit über 40 Personen eine der größeren Gesandtschaften in Osnabrück. Neben Wittgenstein gehörten außerdem die Vertreter Johann Friedrich von Löben und Johannes Fromhold zur Gesandtschaft. Ebenso Teil der Delegation war Petrus Fritze, der im August 1645 jedoch einen Schlaganfall erlitt und darauffolgend durch Matthäus Wesenbeck ersetzt wurde.

Johann Friedrich von Löben, kurbrandenburgischer Gesandter. Gemälde nach Anselm van Hulle. Schwedisches Nationalmuseum, NMGrh 724.

Johannes Fromhold, kurbrandenburgischer Gesandter. Kupferstich von Cornelius Galle nach Anselm van Hulle, 1649. UB Osnabrück.


Petrus Fritze, kurbrandenburgischer Gesandter. Martin Friedrich Seidels Bilder-Sammlung, 1751, Nr. 86. Bayerische Staatsbibliothek, BA/2 Biogr.c. 88.

Matthäus Wesenbeck, kurbrandenburgischer Gesandter. Kupferstich von Pieter de Bailu nach Anselm van Hulle, 1648. UB Osnabrück.

Aufgrund der Größe der Gesandtschaft mietete man zwei benachbarte Bürgerhäuser an, die man als Küchenhaus und Stallung verwendete. Der magdeburgische Sekretär Christian Werner beschreibt das Quartier als „ziemlich geraum und weitläuffig; auch wolgelegen“. Es war ebenso wie viele andere Quartiere innen mit prächtigen Stoffen ausgestattet, darunter mit Wandbehängen aus rotem und gelbem Tuch, roten Baldachinen und ebenso rot überzogenen Tischen. Sogar die kaiserlichen Gesandten berichteten 1645, die brandenburgischen Vertreter gäben sich „so prächtig“, dass man „es ihnen nit khönnen nachthuen.“

Das Quartier befand sich direkt neben der sog. „Alte Pforte“, ein Stadttor, das die Alt- und Neustadt voneinander trennte. Ebenso grenzte das Augustinerkloster direkt an das Quartier an. Der Hof Wittgensteins war daher 1630-32 von Jesuiten bewohnt worden, die das Gebäude bis zur Fertigstellung der Jesuitenuniversität (auf dem Gebiet des Augustinerklosters) zu Unterrichtszwecken benutzen wollten.

 

Stadtansicht von Georg Braun und Franz Hogenberg, 1572. Ausschnitt: Augustinerkloster (links) und Alte Pforte (rechts), ganz rechts außerdem die Katharinenkirche mit Franziskanerkloster. NLA OS, K, 62 a Nr. 4 M.


Aufgrund der Führungsrolle unter den reformierten Reichsständen entwickelte sich das Quartier schnell zum Mittelpunkt der reformierten Konfession. Einerseits fanden Sondersitzungen der reformierten Gesandten statt, beispielsweise mit dem Vertreter der Wetterauer Grafen, Johann Geißel. Öfter zugegen war auch der Gesandte Hessen-Kassels, Reinhard Scheffer, der sich intensiv um die Gleichstellung der Reformierten mit den Lutheranern bemühte. Nicht selten verband man solche Zusammenkünfte mit gemeinsamen reformierten Gottesdiensten, für die es ansonsten in Osnabrück keine Möglichkeit gab (wenngleich die kurbrandenburgischen Gesandten zuweilen auch den lutherischen Gottesdienst in protestantischen Kirchen der Stadt besuchten). 

Nachdem im Mai 1646 Wittgensteins Bruder verstarb, ließ der Gesandte beispielsweise zur gemeinsamen Mahlzeit einladen: „Vorhero ist aber eine Predigt S. Excell abgelebten herrn Brudern zu Ehren gehalten, undt andere fürstl. Gesandten mitt erbeten worden“.

Das kurbrandenburgische Quartier ging später in den Besitz der Familie Hammerstein zu Sögeln über. Das Gebäude soll laut Rudolf von Bruch bis Anfang des 19. Jahrhundert „relativ unberührt“ geblieben sein. Erst 1911 sei das Gebäude zum „Café Bavaria“ umgebaut worden.

Hof von Ledebur zur Wicheln und Dinklage, später von Hammerstein zu Sögeln, Johannisstraße 64. Rudolf vom Bruch: Die Rittersitze des Fürstentums Osnabrück, Osnabrück 1930, S. 429. NLA OS, 2000,45 c.


Ausstellung 7. Juni bis 5. November 2023

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